Bezahlkarte in NRW - Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten in der Praxis

Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben beschlossen, die Bezahlkarte für Schutzsuchende im Rahmen der sog. Opt-Out-Regelung (vorerst) nicht einzuführen. Eine genaue Übersicht dazu halten wir hier bereit. In anderen Kommunen hingegen hat die Nutzung der Bezahlkarte bereits begonnen oder steht (bald) bevor.

Im Folgenden wollen wir Antworten auf wesentliche Fragen zur Bezahlkarte geben und aufzeigen, was ihre Einführung in NRW für Leistungsempfängerinnen konkret bedeutet und wie Engagierte Unterstützung leisten können.

> Was genau ist die Bezahlkarte für Schutzsuchende und wie erfolgt Ihre Ausgabe in NRW?

Die Bezahlkarte ist eine guthabenbasierte (Visa-)Debitkarte. Gemeinsam mit 13 anderen Bundesländern beauftragt NRW das Kooperationsprojekt „SocialCard“ (u. a. Secupay, Visa, SAP) als Dienstleister für die Bereitstellung der Bezahlkarte.

Die Leistungsbehörden – das sind in den Kommunen die Sozialämter und in der Landesaufnahme die Bezirksregierungen – geben die Bezahlkarte als physische Plastikkarte und/oder digital auf eine entsprechende (Smartphone-)App („My SocialCard“) aus. 

Haben Schutzsuchende kein digitales Endgerät bzw. keinen Internetzugang, sollen die Behörden ihnen laut Anwendungshinweisen des Landes NRW zur Einführung der Bezahlkarte vom 18.03.2025 z. B. den Zugriff auf einen internetfähigen PC ermöglichen, damit sie die Funktionen des SocialCard-Onlineportals (wie u. a. die Umsatzübersicht) nutzen können.

> Wer erhält die Bezahlkarte?

Die Bezahlkarte wird grundsätzlich an alle Empfängerinnen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausgegeben. Dies gilt sowohl bei Bezug von Grundleistungen (§ 3 AsylbLG) als auch von – i. d. R. nach den ersten 36 Monaten Aufenthalt gewährten – Analogleistungen (§ 2 AsylbLG). 

Ausgenommen von der Bezahlkarte sind in NRW gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 der hiesigen Bezahlkartenverordnung (BKV) (Fassung vom 19.09.2025) Analogleistungsbeziehende, die sich in Berufsausbildung befinden oder Einnahmen von mehr als zurzeit 556 € (Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 Abs. 1a SGB IV) beziehen. Die Erwerbstätigkeit/die Berufsausbildung muss für mindestens drei Monate ausgeübt worden sein/bestanden haben.

Hinweis: Für Personen, die bereits in der Kommune untergebracht sind und dort Leistungen nach dem AsylbLG beziehen (Bestandsfälle), sind in § 8 BKV NRW Übergangsregelungen vorgesehen. Die Betroffenen sollen ihre Leistungen vorerst weiterhin i. d. R. in der bisherigen Form erhalten, und zwar…

  • … bis zum 31.12.2026, falls Sie am Stichtag 31.12.2024 Grundleistungen bezogen haben.
  • … bis zum 31.12.2027, falls Sie bis zum Stichtag 31.12.2025 Analogleistungen beziehen.
> Welche Besonderheiten gelten in NRW bei Minderjährigen und Familien (Bedarfsgemeinschaften)?

Leistungen für Minderjährige buchen die Leistungsbehörden auf die Bezahlkarte einer sorgeberechtigten Person (§ 2 Abs. 2 BKV NRW). Im Regelfall soll dies laut den NRW-Anwendungshinweisen die Karte der Mutter sein. Leben die Minderjährigen nicht mit einer erwachsenen Erziehungsberechtigten zusammen, erhalten sie eine eigene Karte (§ 2 Abs. 3 BKV NRW).

Bei Bedarfsgemeinschaften, also v. a. zusammenlebenden Familien, können die Behörden eine „Hauptkarte“ mit zugeordneten „Partnerkarten“ ausgeben (§ 2 Abs. 5 BKV NRW). Die Hauptkarte wird mit einem höheren Anteil der gemeinsamen Leistungsbezüge aufgeladen als die Partnerkarten. So ist es möglich, hohe geteilte Ausgaben, z. B. Mietzahlungen, zu begleichen (zu Überweisungsmöglichkeiten s. u.).

> Wie verhält sich die Bezahlkarte zu einem eigenen Bankkonto?

Die Bezahlkarte ist kein Kontoersatz. Schutzsuchende können auch nach der Einführung der Bezahlkarte ein eigenes (Basis-)Konto eröffnen bzw. ein bestehendes Konto weiterführen. Mit der Umstellung auf das Bezahlkarten-System endet aber die – bislang in den meisten Kommunen NRWs angewendete und als unkompliziert empfundene – Regelerbringung von Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Kontoüberweisungen. 

Hinweis: In der Praxis sollte nach Möglichkeit darauf geachtet werden, laufende Daueraufträge/Lastschriften von eigenen Konten rechtzeitig auf die Bezahlkarte umzustellen und ungenutzte, nicht mehr gedeckte Konten zeitnah zu kündigen. Andernfalls entstehen finanzielle Nachteile, wie einige Kommunalverwaltungen in Ratsvorlagen ausgeführt haben (u. a. Geseke und Westerkappeln) und Erfahrungsberichte bestätigen (s. die Zusammenstellung des Flüchtlingsrats Niedersachsen vom 03.09.2025).

> Was sind die Einsatzmöglichkeiten der Bezahlkarte?

Prinzipiell kann die Bezahlkarte innerhalb ganz Deutschlands (nicht im Ausland) eingesetzt werden. Gemäß § 6 Abs. 2 BKV NRW sind Überweisungen ins Ausland sowie die Verwendung für Glücksspielangebote und sexuelle Dienstleistungen ausgeschlossen. Hinzu kommt in der Praxis der faktische Ausschluss von Händlerinnen bzw. Geschäften, die keine Zahlung per (Visa-)Karte akzeptieren. Das ist z. B. nicht selten bei Geschäften im ländlichen Raum, (Wochen-)Märkten und Second-Hand-Läden der Fall.

Überweisungen und Lastschriften sind mit der Bezahlkarte nur im Rahmen des in NRW genutzten sog. „Whitelist“-Verfahrens möglich. Bei diesem System sind Zahlungsempfängerinnen standardmäßig blockiert und können lediglich dadurch freigeschaltet werden, dass die Behörden sie manuell auf die Whitelist aufnehmen. Zum einen soll es eine zentrale Landes-Whitelist mit einigen (landesweit) relevanten Zahlungsadressatinnen – voraussichtlich z. B. Verkehrsbetrieben und Energieversorgungsunternehmen – geben. Außerdem pflegen die Leistungsbehörden jeweils eigene Listen mit regionalen bzw. im Einzelfall relevanten Zahlungsempfängerinnen.

> Welche Bestimmungen gelten in NRW hinsichtlich des verfügbaren Barbetrags?

Monatlich stehen pro leistungsberechtigter Person grundsätzlich maximal 50 Euro in bar zur Verfügung (§ 5 Abs. 1 BKV NRW). Werden Leistungen für Minderjährige auf die Bezahlkarte einer Sorgeberechtigten ausgezahlt (s. o.), erhöht sich das Bargeldlimit dieser Karte entsprechend um die Höhe des Barbetrags für die Minderjährigen.

Schutzsuchende können einen über die 50-Euro-Grenze hinausgehenden Anteil ihrer (Regel-)Leistungen als Bargeld abheben, wenn sie gegenüber der Leistungsbehörde nachweisen, dass „berechtigte Mehrbedarfe“ vorliegen (§ 5 Abs. 1 S. 2 BKV NRW). Hierzu lassen sich laut den NRW-Anwendungshinweisen u. a. Umstände vor Ort, etwa eingeschränkte bargeldlose Einkaufsmöglichkeiten, geltend machen. Unabhängig davon können die Ämter im Ermessen sog. sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG, die zu den Regelsätzen hinzukommen, bewilligen, bspw. bei Schwangerschaft oder zur Versorgung von Neugeborenen. Dies geschieht im Regelfall in Form von Sachleistungen, unter „besonderen Umständen“ können die Behörden aber auch Geldleistungen gewähren, sodass Karteninhaberinnen auch in diesem Fall über mehr Barmittel verfügen. 

Bargeld kann mit der Bezahlkarte an Bankautomaten abgehoben werden. Pro Auszahlung wird dabei eine pauschale Gebühr von 65 Cent erhoben. Bei einem (Mindest-)Einkauf in teilnehmenden Geschäften (u. a. Aldi, Lidl, Netto, Edeka, DM; vollständige Übersicht auf https://www.socialcard.de/) können sich Karteninhaberinnen kostenlos Bargeld auszahlen lassen.

Hinweis: Wie u. a. die Verwaltungen der Städte Bedburg (Vorlage vom 20.01.2025) und Geseke (Vorlage o. D.) ausführen, lässt sich nicht ausschließen, dass das Bargeldlimit in der Praxis etwa durch den Umtausch gekaufter Waren im Einzelhandel überschritten wird (auch, da den Karteninhaberinnen die für eine Rücküberweisung benötigte (virtuelle) IBAN ihrer Bezahlkarte nicht mitgeteilt werden darf).

> Was ist, wenn Schutzsuchende mit Bezahlkarte neben dem Leistungsbezug Einnahmen haben?

Empfängerinnen von Leistungen nach dem AsylbLG können sog. Arbeitsgelegenheiten, die mit einer Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde vergütet werden, aufnehmen bzw. zu deren Ausübung verpflichtet werden (§ 5 AsylbLG). In diesen Fällen erhöht sich die Barleistungsgrenze der Bezahlkarte um die Höhe der ausgezahlten Aufwandsentschädigungen (§ 5 Abs. 2 BKV NRW).

Nehmen Schutzsuchende eine (geringfügige) Beschäftigung auf, durch welche sie nicht in die Ausnahmeregelung gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BKV NRW fallen (s. o.), können sie neben dem Bezug von AsylbLG-Leistungen per Bezahlkarte ein Konto für die Lohnauszahlung führen und uneingeschränkt über diesen Betrag verfügen.

> Wie können Engagierte einzelne Leistungsempfängerinnen konkret unterstützen?

Sie können Schutzsuchende, die Sie begleiten, bei Widerspruchs- bzw. Klageverfahren gegen die mit der Bezahlkarte verbundenen Einschränkungen unterstützen. Einige Hinweise dazu hat der Flüchtlingsrat Niedersachsen in einer Übersicht zusammengestellt.

> Was können Engagierte strukturell gegen die Bezahlkarte tun?

Sollte Ihre Kommune auf das Bezahlkarten-System umstellen, können Sie den Auswirkungen der Barleistungsbeschränkung z. B. vor Ort durch Umtausch-Aktionen begegnen. Dabei werden mit der Bezahlkarte erworbene Gutscheine durch Bargeld eingetauscht (s. die Anleitung der Initiative „Hamburg sagt Nein zur Bezahlkarte“). 

Eine bundesweite Übersicht lokaler Tauschaktionen findet sich auf der Website der Seebrücke. In Nordrhein-Westfalen gibt es entsprechende Initiativen bislang an folgenden Orten:

Hinweis: Die Staatsanwaltschaft Regensburg – so berichtet etwa die Mittelbayerische Zeitung in einem zuletzt am 01.12.2024 aktualisierten Artikel – ist nach einer entsprechenden Prüfung auf Antrag eines CSU-Bundestagsabgeordneten zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich beim Kartentausch nicht um eine Straftat handelt. Das baden-württembergische Finanzministerium geht in seiner Stellungnahme vom 12.11.2025 davon aus, “dass die mit der Bezahlkarte erworbenen Gutscheine zum Nennwert umgetauscht werden und die umtauschenden Stellen keinen Gewinn erzielen”, und verneint eine ertrags- und umsatzsteuerliche Relevanz der Tauschaktionen. Zur Frage der Geldwäsche schreibt das Ministerium: “Transaktionen im Zusammenhang mit Bezahlkarten können den Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 des Strafgesetzbuches) nur dann erfüllen, wenn es sich bei dem Tatobjekt um einen Gegenstand handelt, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt. Da die Bezahlkarte von einer öffentlich beauftragten Stelle ausgegeben wird und öffentliche Gelder ausgekehrt werden, sind keine einschlägigen Fälle bekannt. […] Die Bezahlvorgänge und Barabhebungen entsprechen Größenordnungen alltäglicher Transaktionen, sodass sie die allgemein gültigen Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz nicht überschreiten.”

Ehrenamtspreis des Flüchtlingsrates NRW

Mit dem Ehrenamtspreis möchte der Flüchtlingsrat NRW das ehrenamtliche Engagement von in der Flüchtlingshilfe aktiven Initiativen und Einzelpersonen in NRW ehren und diese in ihrer Arbeit stärken.

Weitere Informationen zum Ehrenamtspreis finden Sie hier.

Nein zur Bezahlkarte: Ratsbeschlüsse aus nordrhein-westfälischen Kommunen

In dieser regelmäßig aktualisierten Übersicht dokumentiert der Flüchtlingsrat NRW, welche Kommunen sich bisher gegen die Einführung einer Bezahlkarte für Schutzsuchende entschieden haben.

Die Übersicht finden Sie hier.

Keine Propaganda auf Kosten von Flüchtlingen! - Argumentationshilfe gegen Vorurteile

Der Flüchtlingsrat NRW e.V. stellt eine ausführliche Argumentationshilfe zur Entkräftung von Vorurteilen (Stand: November 2023) bereit. Diese finden Sie hier.

Broschüre zum Engagement für Flüchtlinge in Landesunterkünften

Der Flüchtlingsrat NRW hat die Broschüre „Ehrenamtlich engagiert – für Schutzsuchende in und um Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW“ aktualisiert (Stand September 2025).

Die Broschüre können Sie hier herunterladen.

Kooperations- und Fördermöglichkeiten für flüchtlingsbezogene Veranstaltungen und Projekte

Broschüre des FR NRW, Stand November 2025, zu verschiedenen Institutionen, die fortlaufend für eine finanzielle Unterstützung von flüchtlingsbezogenen Projekten und Veranstaltungen, insbesondere zu flüchtlingspolitischen Themen, angefragt werden können.

Mehr dazu

Forum Landesunterbringung

Neues Webforum "Flüchtlinge in Landesaufnahmeeinrichtungen in NRW (WFL.NRW)" jetzt online!
Das Webforum möchte einen Einblick in die Situation von Flüchtlingen in Landesaufnahmeeinrichtungen ermöglichen.

Das Webforum finden Sie hier.

 

Gefördert u.a. durch: