| Kirchenasyl Unrühmlicher Gipfel der Abschiebungspolitik: Polizeiliche Räumung eines Kirchenasyls
Flüchtlingsrat NRW sieht Mitverantwortung des Landes
Gestern, am 23.8.2016, wurde mittels Polizeieinsatz ein Kirchenasyl im Kapuzinerkloster in Münster beendet, mit dem ein ghanaischer Flüchtling, der an einer Herzerkrankung leidet, vor einer Dublinüberstellung nach Ungarn bewahrt werden sollte. Verantwortlich für diese drastische Maßnahme war der Kreis Coesfeld.
Auch wenn seit einiger Zeit, insbesondere seitens des Bundes, Kirchenasyle in die Kritik geraten sind, galt in NRW doch bisher der Grundsatz, dass die Polizei keine Kirchenasyle räumt. Dies hatte der damalige Innenminister Behrens schon 1999 verlautbart und Innenminister Jäger noch im letzten Jahr gegenüber dem Geschäftsführer von Asyl in der Kirche e.V., Thomas Flörchinger, bekräftigt. „Die polizeiliche Räumung eines Kirchenasyls stellt einen absoluten Tabubruch dar“, meint Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW. „Noch vor Kurzem wäre ein solcher Schritt in NRW unvorstellbar gewesen.“
Vor dem Hintergrund der derzeitigen Abschiebungspolitik in NRW stellt diese Aktion den vorläufigen Negativgipfel dar. Nach wie vor werden Abschiebungen auch von Familien zur Nachtzeit durchgeführt, ebenso werden kranke und schwangere Menschen abgeschoben. In den letzten Monaten hat das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen. So werden seit Mitte letzten Jahres Menschen aus Ländern mit einer sogenannten „geringen Bleibeperspektive“ bis zu ihrer Abschiebung in den Landesaufnahmeeinrichtungen festgehalten. Im Juli 2016 wurde ein Sensibilisierungserlass hinsichtlich Abschiebungen von Minderheiten aus dem Westbalkan zurückgenommen und die Ausländerbehörden aufgefordert, Duldungsgründe für diesen Personenkreis zu überprüfen. Mitte August verkündete Innenminister Jäger, dass in NRW ein Pilotprojekt für eine Bund-Länder-Task Force stattfinden wird, um „straffällig gewordene Nordafrikaner“ schneller abzuschieben, angeblich eine Maßnahme zur Stärkung der inneren Sicherheit. „Zwar ist das Land NRW für die Räumung des Kirchenasyls nicht direkt verantwortlich,“ so Birgit Naujoks, „jedoch trägt der deutliche Wille der Landesregierung, Abschiebungen massiv zu forcieren, erheblich dazu bei, solche Maßnahmen nicht nur in den Köpfen, sondern auch in der tatsächlichen Umsetzung zuzulassen.“
Humane Flüchtlingspolitik, mit der sich das Land NRW insbesondere seit dem sogenannten Paradigmenwechsel im Oktober 2014 rühmt, sieht anders aus. Die Landesregierung ist gefordert, klar Stellung zu beziehen und geeignete Maßnahmen zu veranlassen, um solche Auswüchse zu verhindern und nicht die Zahl der Abschiebungen, sondern die Menschen, die davon betroffen sind, in den Fokus zu stellen.
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