| Aktuell, Abschiebung & Ausreise Bleiben, zurückkehren oder weiterreisen? BAMF-Forschungszentrum legt erstmals Studie zu ausreisepflichtigen Personen vor

Informationsdienst Wissenschaft e.V.  kurz idw informiert am 10. November 2023:

Der Umgang mit Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland ist immer wieder Thema der politischen Debatte. Es geht um Rückkehr – gefördert und zwangsweise – aber auch um eine Bleibeperspektive für Menschen, die mitunter seit mehreren Jahren in Deutschland leben und eine Duldung besitzen. So hat die aktuelle Bundesregierung im Koalitionsvertrag für diesen Personenkreis ein "Chancen-Aufenthaltsrecht" vereinbart.

Im Rahmen der "Machbarkeitsstudie zur Im-/Mobilität ausreisepflichtiger Personen in Deutschland (MIMAP)" nimmt das BAMF-Forschungszentrum erstmals Lebensrealitäten von Menschen ohne Bleiberecht in den Blick. Ziel ist es, Erkenntnisse zu ihren Motiven, Perspektiven und Handlungsspielräumen zu gewinnen, die mit den drei Optionen Verbleib, Rückkehr und Weiterwanderung in Verbindung stehen.

In der neuen Kurzanalyse „Wege aus der Ausreisepflicht nach ablehnender Asylentscheidung“ wurden zunächst die aufenthaltsrechtlichen Verläufe von allen Personen untersucht, die im Zeitraum 2013 bis 2022 in Deutschland einen Asylantrag gestellt und keinen Schutz erhalten haben. Mit einer ablehnenden Entscheidung im Asylverfahren besteht für diese Personen die Pflicht zur Ausreise. 

Die Datenbasis der Analyse bildet das Ausländerzentralregister (AZR). Dieses wurde im Längsschnitt ausgewertet. Folgende Fragen standen dabei im Mittelpunkt. Wie und wann beenden Personen die Ausreisepflicht? Geschieht dies über freiwillige Ausreise, zwangsweise Rückführung, Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis oder ein Asylfolgeverfahren? 

Zentrale Ergebnisse 

In den vergangenen zehn Jahren nahm die Zahl an ausreisepflichtigen Personen kontinuierlich zu. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund zeitweise zunehmender Asylentscheidungen und damit einhergehend gestiegener Asylablehnungen. Personen mit Ausreisepflicht gingen in diesem Zeitraum häufig den Weg der freiwilligen Ausreise oder erreichten eine rechtmäßige Aufenthaltserlaubnis, um die aufenthaltsrechtliche Illegalität zu beenden. Eine kumulative Wahrscheinlichkeit lag für beide Wege aus der Ausreisepflicht bei jeweils 34%. 

Allerdings unterscheiden sich beide Wege deutlich in der Dynamik. Die freiwillige Ausreise – ob gefördert oder aus eigenem Antrieb – ist in den ersten zwei Jahren nach Eintritt der Ausreisepflicht am wahrscheinlichsten. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer in Deutschland wird eine Ausreise seltener in Erwägung gezogen. Da viele Personen mit Ausreisepflicht den Weg der freiwilligen Ausreise wählen, sollte die Rückkehrförderung in den Mittelpunkt der Debatte über den Umgang mit ausreisepflichtigen Personen rücken. Dabei ist es wichtig, frühzeitige Rückkehrberatung anzubieten sowie Reintegrationsunterstützung auszubauen. 

Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigt die Wahrscheinlichkeit, die Ausreisepflicht durch den Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis zu beenden. Die bisher am häufigsten erteilten Aufenthaltserlaubnisse an ausreisepflichtige Personen mit ablehnender Asylentscheidung waren solche zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen nach § 25a AufenthG und bei nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geschieht meist erst nach mehreren Jahren in der Ausreisepflicht und ist ein wichtiger Weg zur Reduzierung von Langzeitduldungen. Hier setzt auch das neu eingeführte Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG) an. Das Chancen-Aufenthaltsrecht steht beispielswiese auch Personen offen, deren Duldung mit umfangreichen rechtlichen Einschränkungen einhergeht, wie die “Duldung light” für Menschen mit ungeklärter Identität nach § 60b AufenthG. Die Analysen zeigen, dass diese Personen bislang, trotz Restriktionen wie Arbeitsverboten und räumlichen Beschränkungen, über viele Jahre in der Ausreisepflicht verbleiben.

Lisa Peitz, Autorin der Kurzanalyse, zu den Ergebnissen: „Die Kurzanalyse greift in der derzeitigen politischen und öffentlichen Diskussion zentrale Themen rund um die Durchsetzung der Ausreisepflicht auf. Die in der Kurzanalyse gewonnen Erkenntnisse tragen zu einer differenzierten und faktenbasierten Betrachtung der Thematik bei. Sie zeigen, dass die frühzeitige Förderung freiwilliger Rückkehr und die Erteilung einer rechtmäßigen Aufenthaltserlaubnis an Langzeitgeduldete die wichtigsten Strategien bleiben sollten, um die Anzahl an Personen mit Ausreisepflicht wesentlich zu verringern.“ 

Datenerhebung

Im Rahmen des Projekts MIMAP werden sowohl vorhandene Daten zu Personen mit Ausreisepflicht analysiert, als auch eigene Datenerhebungen durchgeführt. In der vorliegenden Kurzanalyse wurden die anonymisierten Daten des AZR zu allen Personen, die im Zeitraum von 2013 bis 2022 in Deutschland einen Asylantrag gestellt und keinen Schutz erhalten haben, in längsschnittlicher Form einer Ereignisdatenanalyse unterzogen. Mithilfe sogenannter Competing-Risk-Modelle wurden in Abhängigkeit zur Dauer in der Ausreisepflicht die kumulativen Wahrscheinlichkeiten berechnet, eine bestehende Ausreisepflicht zu beenden. Zum Stichtag 30.6.2023 waren laut AZR rund 170.000 Personen mit ablehnendem Asylbescheid ausreisepflichtig. Die meisten von ihnen – rund 149.000 – sind in Besitz einer Duldung, womit sie zwar weiterhin ausreisepflichtig sind, ihre Rückführung aber vorübergehend aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgesetzt ist.

Die Studie kann hier herunterladen werden:
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse1-20...

Weiterführende Informationen zum Projekt finden Sie hier: 
https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Migration/mimap.h...

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