| LSBTIQ Bericht: Fachtag zu Rassismus-Erfahrungen und LSBTIQ* in Bochum
Am 28. Januar 2017 fand in Bochum die Fachtagung "Eine Community für alle?!" statt. Dabei wurde Rassismus in breiten Teilen der Gesellschaft thematisiert, vor dem auch die LSBTIQ-Community nicht gefeit ist. Betroffene schilderten ihre Sicht.
Rassismus ist wieder salonfähig geworden. Breite Teile der Gesellschaft vertreten menschenfeindliche Ansichten, die Normalisierung des rassistischen Diskurses kann in vielen Bereichen beobachtet werden.
Der Fachtag im Bahnhof Langendreer machte diesen Umstand zum Thema und fragte, wie über Flucht, Einwanderung und Rassismus gesprochen werden kann, ohne die Betroffenen selbst aus dem Diskurs auszuschließen. Zudem sollte eine Diskussion in der LSBTIQ-Community angestoßen werden, wie man mit rassistischen Einstellungen im eigenen Kreis umgehen soll.
Saideh Saadat-Lendle von der Beratungsstelle LesMigras Berlin eröffnete die Reihe der zehnminütigen Inputvorträge. Sie referierte zu der Frage, was Mehrfachdiskriminierung sei und führte in den Ansatz ein, mit dem die Organisation arbeitet. Dabei bedeute Mehrfachdiskriminierung nicht, verschiedene Arten der Diskriminierung zu addieren, sondern auf ihre Überschneidungen hinzuweisen und zu beachten, was es für die Person bedeutet, mehrfachdiskriminiert zu sein.
Gema Rodríguez Díaz von der Integrationsagentur im rubicon e.V. aus Köln erzählte von ihren Beobachtungen des Rassismus in der LGBTIQ-Community. Szenekneipen würden für geflüchtete / migrierte LSBTIQ oft eine Hürde darstellen, Anschluss in der Community zu finden.
Dzevad Burdalic, Mitarbeiter der Aids-Hilfe Bielefeld, berichtete zur Situation geflüchteter LSBTIQ in NRW. Eindrücklich vertraute er persönliche Erfahrungen dem Publikum an und stellte heraus, wie schwierig das Ankommen in Deutschland für einen Flüchtling sei, der mit heteronormativen Vorstellungen breche. In der Diskussion wurden mehrere Punkte betont:
- Es gebe Probleme mit der Polizei. Betroffene würden sich oft nicht ernst genommen fühlen, die Glaubwürdigkeit werde ihnen abgesprochen.
- Die Zimmervergabe in Unterbringungseinrichtungen sei oft alternativlos. Privatssphäre sei oft nicht gegeben.
- Es fehle an Ausgehsituationen, wo man sich ein soziales Umfeld aufbauen kann.
- Allgemeine Mängel an Sicherheit und körperlicher und seelischer Unversehrtheit.
- Daher die Forderung nach sicheren Unterkünften für LSBTIQ mit Fluchthintergrund.
Zudem wurde kontrovers über den Sinn von Curricula in Integrationskursen gesprochen, die die Akzeptanz für die Rechte der LSBTIQ fördern sollen.
Über die rassistische Instrumentalisierung von LSBTIQ* durch die AfD referierte Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung und dem Netz-gegen-Nazis aus Berlin. Sie stellte heraus, dass die AfD ein traditionelles Leitbild von Familie vertrete, das Lebensentwürfe von LSBTIQ* nicht einschließen würden. Die AfD sei gegen eine Aufklärung über sexuelle Vielfalt. Mit einschlägigen Zitaten von Parteimitgliedern verdeutlichte die Referentin ihre These. Dennoch werde versucht, in der LSBTIQ*-Community Stimmen für die Partei zu gewinnen. Dafür werde mit islamophoben Parolen Stimmung gegen Muslime gemacht und ein gemeinsamer "Feind" suggeriert. Dabei werde auch die Aussage verbreitet, dass Homophobie in Deutschland - wenn überhaupt - nur unter Geflüchteten herrsche.
In einer anschließenden Fishbowl-Diskussion konnten viele Themen nochmal aufgegriffen und diskutiert werden.
Insgesamt war der Fachtag eine gute und wichtige Möglichkeit für einen inhaltlichen Austausch. In einer Atmosphäre, in der viele Stimmen gehört werden konnten, wurden Wünsche aus der Community für die weitere politische Arbeit geäußert.
Organisiert wurde der Fachtag von der Kampagne "anders und gleich - Nur Respekt Wirkt", der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule NRW, Back Up - Beratung für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt, der Fachstelle für junge queere Geflüchtete der Queeren Jugend NRW, dem Rosa Strippe e.V. und von Slado e.V.