| LSBTIQ Assimilations- und Tokeniesierungsversuche mit der Queeraspora

Im Folgenden lesen Sie einen Bericht von Queereaspora über die Realität queerer BIPOC Arbeit zwischen Queerfeindlichkeit und Rassismus.
Queeraspora besteht aus einer selbstorganisierten Gruppe von Mehrfachdiskriminierten, die im Bereich Empowerment von queren Geflüchteten/Migrant*innen bzw. BIPOC arbeiten. Ziel von Queeraspora ist es, Sichtbarkeit über die Lebensralität von queeren BIPOC zu schaffen. Dabei geht es den Mitgliedern nicht nur darum, Informationen für die Öffentlichkeit bereitzustellen, sondern vor allem darum, gegen real existierende Diskriminierungstrukturen vorzugehen.

Der folgende Artikel von Queeraspora beschreibt und kritisiert den Umgang mit einer Interview Situation für eine Reportage von "Cosmo-Radio".


"Liebe Community, liebe Geschwister und liebe Freund*innen!

Wie vielen von euch bekannt ist, arbeiten wir als Queeraspora im Bereich Empowerment von queeren Geflüchteten/Migrant*innen, bzw. BIPOC. Insofern werden wir als Betroffene von Rassismus und Homo-Trans*-Interfeindichkeit täglich der Gewalt von Paternalismus (nicht-Betroffene schreiben uns vor, was richtig oder falsch ist; also Bevormunden unsereins), Ausgrenzung und Assimilation (die Vereinnahmung von betroffenen Minderheiten durch eine dominante Struktur, Kultur, Regel, die die Hintergründe von „Nicht-Dominanten“ sukzessiv/manipulativ ausschließt/diskriminiert; zum Beispiel wenn behauptet wird, dass Europa super tolerant und offen sei, während die „Roots“ der Minderheiten, also wo wir herkommen, als primitiv und rückständig deklariert werden und Betroffene mit Diskriminierungserfahrungen solche Thesen reproduzieren).  Personen mit Diskriminierungserfahrungen, die die Thesen und Denkweisen von Diskriminierenden Dominanzen reproduzieren, nennt man „Kronzeug*n“. Wir erleben das aus beiden Kontexten, dass mal „Kronzeug*n“ BIPOC sagen, es gäbe keinen Rassismus oder wenige LGBTIQ* Personen meinen, es gäbe keine Homo-Trans*-Interfeindlichkeit  in Deutschland; was faktisch aber einfach falsch ist.
Diese werden gerne dann von meist heterosexuellen weißen Personen/Kontexten als Vorzeigeinstrument oder als Legitimation genommen, um die eigene Dominanz auf- und Minderheiten sowie deren Empowerment abzuwerten. Vor allem wenn empowerte, selbstorganisierte Queere BIPOC sich behaupten und verteidigen, kritisieren und auf Augenhöhe Teilhabe wollen. Insofern rekrutiert der Institutionelle Rassismus sowie das bestehende queerfeindliche heterosexuelle Patriarchat gerne assimilierte Betroffene, indem es Folgen deren Traumata und  geringem Selbstwertgefühl oberflächlich anspricht (die wiederum meistens aus den bestehenden Diskriminierungsstrukturen resultieren) und unverbindliche Privilegien verspricht, wie Aufmerksamkeit, Scheingleichheit und Anerkennung. Damit diese gegen ihre eigenen Peers hetzen. „Du bist ein Guter, aber deine Landsleute“ oder „aber diese femininen Schwule sind ja grauenvoll, wieso können die nicht so männlich wie du sein“ sind einige der bekannten Sprüche.

Doch was ist der Auslöser dieser langen Einleitung?

Als Personen mit intersektionaler Diskriminierungserfahrungen ist es uns wichtig Sichtbarkeit darüber zu schaffen, was im Leben von Queeren BIPOC abläuft. Ziel ist es hier nicht unbedingt nur Informationen für die Öffentlichkeit zu beschaffen, sondern vor Allem gegen real-existierende Diskriminierungsstrukturen vorzugehen.
Insofern hatten wir uns gefreut, dass uns  „Cosmo-Radio“  in den letzten Monaten für ihre Internet Seite zum Interview angefragt hatte. Natürlich haben wir uns sehr gefreut und haben dem sofort zugestimmt.
Zwei Personen der Queeraspora haben sich bereit erklärt, dass Interview durchzuführen. In beiden Interviews kamen mit unterschiedlicher Gewichtung die persönlichen Lebensrealitäten als Queere of color zu Wort. Das heißt, es wurden selbstverständlich die homofeindlichen und rassistischen  Erfahrungen erwähnt.
Gegen Ende hat sich die Redaktion von Cosmo lediglich für die Veröffentlichung des einen Interviewpartners entschieden. Als wir das Ergebnis des gedrehten Videopodcasts sahen, trauten wir unseren Augen nicht.
Das Interview wurde lediglich auf die Homophobie Erfahrungen des Queeraspora Mitglieds in der eigenen syrischen Community reduziert. Das Leben in Deutschland hätte ihm Freiheit zur Auslebung seiner schwulen Identität ermöglicht, während er in seiner Familie wie gesellschaftlich-kulturellen Backrounds erdrückt wurde. Allerdings hat das Queeraspora Mitglied ebenfalls erwähnt, dass er auch hier weiterhin gesellschaftlich-strukturelle Homofeindlichkeit erlebt, aber eben auch Rassismus (vor allem in der weißen queeren Community).  Dieser Part wurde im Videopodcast komplett ausgelassen.
Der andere Interviewpartner hat auf die Frage, „mit was bist du in deiner aktivistischen Arbeit am meisten in Deutschland konfrontiert?“ mit der Antwort: „vor allem Diskriminierung innerhalb der queer-weißen Community“ reagiert. Wir können uns nun denken, warum dieses Interview komplett fallen gelassen wurde.
Als wir dies bei der Redakteurin kritisierten, wurde ein weiteres Mal ein Interview mit dem Bruder aus Syrien durchgeführt, wo er auf seine Rassismuserfahrung spezifisch gefragt wurde.
Das interviewte Queeraspora Mitglied hat gebeten, dass Video vorher zu sehen, bevor es veröffentlicht wird, um „TOKENIZING“ zu vermeiden. Allerdings wurde das „bearbeitete“ Video ungefragt hochgeladen. Das „neue“ Video war das „alte“ Video, wo aus unserem Mitglied versucht wurde, einen Kronzeugen zu machen. Die Rassimuserfahrungen wurden lediglich in einer super flüchtigen, kurzen Einblendung erwähnt („und er hatte Rassismus erlebt“) und der Rest bestand aus „Deutschland=Freiheit“ und „Syrien und Syrer=Homophobe Rückständige“.

Als der Betroffene protestiert und seine Enttäuschung ausgesprochen hatte, wurde das Video von der COSMO Seite entfernt und es wurde ihm gesagt, dass die Entscheidungsträger*innen der entsprechenden Redaktion keine weiteren (richtigen) Interviews mehr anbieten könnten...

Liebe empathischen Geschwister,

ihr sieht, dass die Queeraspora zwar zu einer selbstorganisierten Gruppe von Mehrfachdiskriminierten besteht. Jedoch heißt das nicht, dass menschen und schon gar nicht Privilegierte uns benutzen können und zu Kronzeug*innen kreieren dürfen. Ja wir glauben nicht, dass das COSMO-Radio uns mit dem Auftrag gezielt „Kornzeug*innen“ zu rekrutieren angesprochen hat. Allerdings werfen wir hier vor, dass wir paternalistisch behandelt wurden und uns nicht zugehört wurde. Es wurden die Hoffnungen von Sichtbarkeit eines von Unsichtbarkeit betroffenen Klientels und die Traumata von Betroffenen angehört und am Ende im Nichts versenkt.
Der Queeraspora Interviewpartner hatte das erste Mal in dessen Leben so ein Interview durchgeführt und war heilfroh, dass er seine Story und seine Erlebnisse mit Zuhörer*innen teilen durfte. Und nun fühlt er sich verarscht.

Auch wenn das nicht bewusst intendiert wurde, was wir nicht glauben. Das Resultat war eine Tokenize Aktion, wo wir beinahe als „Kronzeug*innen“ missbraucht wurden.

In unserer Erfahrungen kennen wir das allzu genüge, dass sich vor Allem weiße LGBTIQ* in der Community und heterosexuelle weiße Personen in der Gesamtgesellschaft lieber „nicht-empowerte“ und von der intersektionalen Diskriminierung erdrückten Betroffenen Gehör schenken wollen, die gegen ihresgleichen hetzen/kämpfen, da ihre Kraft nicht ausreicht, gegen bestehende Dominanzen anzugehen. Stattdessen arrangieren sich diese mit Privilegierten (Siehe „Teile und Herrsche“).

Es gibt zahlreiche „Kronzeug*innen“, die aus diesen genannten Gründen, gegen ihre eigenen Geschwister öffentlich gar angehen und Empowerment nicht ertragen, weil das von Diskriminierungen geschaffene Minderwertigkeitsgefühl zu tief sitzt.

Allerdings zählt die Queeraspora nicht dazu. Wir lassen uns als empowerte Queere BIPOC* trotz unsere tlw miserablen Lage, unserer Traumata oder Angriffe gegen uns auf Makro- und/oder Mikroebene nicht vereinnahmen.
Das, was wir an COSMO Radio kritisieren, ist überall und nicht spezifisch nur bei COSMO-Radio vorhanden.
Als Queeraspora hoffen wir mit diesem Post/Kritik, dass ein neue Annäherung geschaffen werden kann. Das heißt, wenn wir kritisieren, werden wir dennoch Chancen vergeben und wir würden es wieder miteinander versuchen, bis es endlich richtig auf Augenhöhe läuft.

Wir wollen nicht verurteilen, sondern einen Zustand beschreiben, den es zu beheben und zu transformieren gilt.

Wie gesagt, habt keine Angst, die Queeraspora auf Augenhöhe zu begegnen. Habt gar keine Angst, sich gegenseitig immer neue Möglichkeiten und Chancen zu geben.

Lasst es uns gern nochmal versuchen....nicht bis es uns passt, sondern bis zu dem Punkt, wo wir alle gemeinsam Mehrfachdiskriminierungen aus der Welt schaffen....

Mit queeren solidarischen Grüßen

Queeraspora"

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Ehrenamtspreis des Flüchtlingsrates NRW

Mit dem Ehrenamtspreis möchte der Flüchtlingsrat NRW das ehrenamtliche Engagement von in der Flüchtlingshilfe aktiven Initiativen und Einzelpersonen in NRW ehren und diese in ihrer Arbeit stärken.

Weitere Informationen zum Ehrenamtspreis finden Sie hier.

Nein zur Bezahlkarte: Ratsbeschlüsse aus nordrhein-westfälischen Kommunen

In dieser regelmäßig aktualisierten Übersicht dokumentiert der Flüchtlingsrat NRW, welche Kommunen sich bisher gegen die Einführung einer Bezahlkarte für Schutzsuchende entschieden haben.

Die Übersicht finden Sie hier.

Keine Propaganda auf Kosten von Flüchtlingen! Argumentationshilfen gegen Vorurteile

Der Flüchtlingsrat NRW e.V. stellt einen Flyer sowie eine ausführliche Argumentationshilfe zur Entkräftung von Vorurteilen (Stand: November 2023) bereit.

Den Flyer und die Argumentationshilfe finden Sie hier.

Broschüre zum Engagement für Flüchtlinge in Landesunterkünften

Der Flüchtlingsrat NRW hat die Broschüre „Ehrenamtlich engagiert – für Schutzsuchende in und um Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW“ aktualisiert (Stand Dezember 2021).

Die Broschüre können Sie hier herunterladen.

Kooperations- und Fördermöglichkeiten für flüchtlingspolitische Veranstaltungen und Projekte

Broschüre des FR NRW, Stand November 2023, zu verschiedenen Institutionen, die fortlaufend für eine finanzielle Unterstützung von Projekten und Veranstaltungen zu flüchtlingspolitischen Themen angefragt werden können.

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Forum Landesunterbringung

Neues Webforum "Flüchtlinge in Landesaufnahmeeinrichtungen in NRW (WFL.NRW)" jetzt online!
Das Webforum möchte einen Einblick in die Situation von Flüchtlingen in Landesaufnahmeeinrichtungen ermöglichen.

Das Webforum finden Sie hier.

 

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