| Flüchtlingsabwehr an den EU-Außengrenzen Vor Koalitionsgipfel: Pro Asyl fordert Bundesregierung auf sich der Realität zu stellen

Pressemitteilung von PRO ASYL vom 8. März 2020:

Zur  Lage von Flüchtlinge in Griechenland und der Türkei

Vor dem Koalitionsgipfel fordert Pro Asyl die Bundesregierung auf, sich der Realität in Griechenland und in der Türkei zu stellen. Beide Staaten garantieren nicht die völkerrechtlich verbrieften Flüchtlingsrechte.

Griechenland hat das Asylrecht de facto abgeschafft. „Wir erleben einen permanenten Bruch der Menschenrechte und des Völkerrechts auf den die Bundesregierung und die anderen EU-Staaten reagieren müssen. Griechenland tritt in die Fußstapfen Orbans, und der Rest der EU schaut weg, deckt dies ab oder diskutiert absolut unzureichende Vorschläge, wie die Aufnahme einiger Tausend unbegleiteter Kinder.“ warnt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl

Pro Asyl fordert:

1. Überstellungsstopp nach Griechenland: das BAMF muß sofort angewiesen werden von der Einleitung von Überstellungen nach Griechenland Abstand zu nehmen. Griechenland ist weder in der Lage noch willens Asylverfahren durchzuführen.  Es gibt dort keinen fairen Asylverfahren.

2. Aufnahme von getrennten Familien in Deutschland: es ist unerträglich, dass sich die Bundesregierung knallhart weigert, aus Griechenland Familienangehörige nach Deutschland  Dublin einreisen zu lassen, bei denen die 3 –monatige Frist zur Antragstellung  nach der Dublinverordnung verpasst wurde, darunter auch Frauen und Kinder. Pro Asyl  schätzt die Zahl der getrennten Familien auf mehrere Tausend.

3. Europaweite Aufnahme von Schutzsuchenden aus Griechenland : „Die diskutierte Aufnahme von unbegleiteten Kindern ist angesichts der Dramatik ein Gnadenakt, der auch der Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens dient. Auch für Kinder mit Familienangehörigen, Frauen, Traumatisierte und Männer ist die Situation auf den griechischen Inseln menschenunwürdig.“  

4. Durchführung von fairen Asylverfahren in Europa –  keine Deportationen in die Türkei. Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat

Entgegen aller Behauptungen gibt es seit dem EU-Türkei Deal auf den griechischen keine Asylverfahren, in denen die Fluchtgründe geprüft werden. Griechenland will nun ohne jegliche Prüfung in die Türkei abschieben und inhaftiert aus diesem Grund Neuankommende. Pro Asyl fordert: keine Abschiebungen in die Türkei, sie ist  kein sicherer Drittstaat im Sinne des Asylrechts. Es drohen Kettenabschiebungen. Es gibt keine Sicherheit für aus der EU-abgeschobene Asylsuchende.

Informationen zur Situation von Schutzsuchen in der Türkei

Türkei verletzt das Non-Refoulement-Gebot der Genfer Flüchtlingskonvention 

Die Türkei verstößt seit mehreren Jahren regelmäßig gegen das völkerrechtliche Non-Refoulement-Gebot. Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Syrien (Stand November 2019) wird klar benannt, dass  die türkische Regierung plant, bis zu drei Millionen syrische Flüchtlinge im Nordostsyrien anzusiedeln.  Die Flüchtlinge werden unter Vertreibungsdruck gesetzt oder sogar zwangsweise abgeschoben. Sogar das AA muss im Lagebericht zu Syrien konstatieren, dass ab Juni 2019 von der Türkei aus Deportationen nach Idlib erfolgen.  Dokumentiert ist durch NGOs und Medien die Praxis der »erzwungenen freiwilligen Ausreisen«:  Flüchtlinge werden in Haft gezwungen, in ihre Rückkehr einzuwilligen.
   
Human Rights Watch, Turkey: Syrians Being Deported to Danger, 24.10.2019
Amnesty International, Turkey: Sent to a War Zone: Turkey’s Illegal Deportations of Syrian Refugees, 25.10.2019
 

Sowohl Schutzsuchende als auch Inhaber von »Internationalem Schutz« oder »temporären Schutz« können aus Gründen der öffentlichen Ordnung, öffentlichen Sicherheit oder aufgrund von »Terrorismus« jederzeit abgeschoben werden können. Die Terrorismusdefinition ist sehr unspezifisch. Es  sind Fälle von Social Media Posts bekannt, aufgrund derer Abschiebungsbescheide ergangen sind, weil entweder die Türkei kritisiert wurde oder aufgrund von Übersetzungsfehlern eine PKK-Unterstützung angenommen wurde. Dies erhöht die Gefahr von völkerrechtswidrigen Abschiebungen.
 
Abschiebungen aus der Türkei nach Syrien und Afghanistan

Die Türkei verstößt seit mehreren Jahren regelmäßig gegen das völkerrechtliche Non-Refoulement-Gebot.  Amnesty International dokumentiert seit Jahren:

2014: Struggling to Survive: Refugees from Syria in Turkey
2015: Europe’s Gatekeeper: Unlawful Detention and Deportation of Refugees from Turkey
2016: Turkey: Illegal Mass Returns of Syrian Refugees Expose Fatal Flaws in EU-Turkey Deal 2017: Refugees at Heightened Risk of Refoulement under Turkey’s State of Emergency
2018: Thousands of Afghans Swept up in Ruthless Deportation Drive
2019: Turkey’s Illegal Deportations of Syrian Refugees

Die Türkei schiebt zudem in großen Zahlen nach Afghanistan ab. 2018 wurden laut Berichten 31.000 Afghanen abgeschoben, für 2019 scheint die Zahl noch einmal signifikant höher zu liegen.

Amnesty International, Turkey: Thousands of Afghans swept up in ruthless deportation drive, 24.04.2018
AIDA, Länderbericht Türkei 2018, S. 22

Zur Lage an der Türkisch-Syrischen Grenze

Die Türkei hat Grenzanlagen an einem Großteil der Grenze zu Syrien und dem Iran errichtet. Ankündigungen zufolge soll auch an der Grenze zum Irak eine Grenzbefestigung entstehen. Wie dokumentiert wurde, hält die Türkei Flüchtlinge auch mit Schüssen davon ab, die syrisch-türkische Grenze zu passieren – seit 2011 wurden über 430 Personen getötet.

Human Rights Watch, Turkey: Mass Deportations of Syrians, 22.03.2018

Zur Situation von aus Griechenland in die Türkei Abgeschobenen (EU-Türkei Erklärung)

Die Situation von im Rahmen der EU-Türkei Erklärung aus Griechenland in die Türkei abgeschobenen Menschen gerät aus dem Blick. Trotz der Verpflichtung zur monatlichen Berichterstattung, die im Rahmen der EU-Türkei Erklärung verankert worden war, gibt es kein systematisches Monitoring oder Berichte über die Situation von Rückgeführten seitens der EU. Die Bundesregierung beruft sich bezüglich des Schicksals der in die Türkei zurückgeschickten Flüchtlinge auf den öffentlichen Fortschrittsbericht der EU Kommission vom 2. März 2017. Der letzte zugängliche Fortschrittsbericht zur Umsetzung der EU-Türkei Erklärung stammt aus dem September 2017 (COM(2017) 470 final), darin wird indes auf die Situation von Rücküberstellten keinen Bezug genommen. Die Berichte werden seit jenem 5. Fortschrittsbericht nicht mehr fortgesetzt, zumindest sind sie nicht öffentlich zugänglich.

Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke et al., Bundesdrucksache 19/8028, Umsetzung des EU Türkei Flüchtlingsabkommens, 27.02.2019

Auch UNHCR ist kein ungehinderter Zugang zu Rückgeführten, und damit ein systematisches Monitoring möglich. 

UNHCR, Statewatch, Response to query related to UNHCRs observations of Syrians readmitted to Turkey, 23.12.216

2016 und 2017 wurde auch von Problemen der Betroffenen berichtet, nach der Rückführung in den Haftzentren in denen sie sich befanden, Schutzanträge zu stellen oder die Anträge wurden nicht angemessen berücksichtigt.

AIDA, Länderbericht Türkei 2018, S. 31.

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Ehrenamtspreis des Flüchtlingsrates NRW

Mit dem Ehrenamtspreis möchte der Flüchtlingsrat NRW das ehrenamtliche Engagement von in der Flüchtlingshilfe aktiven Initiativen und Einzelpersonen in NRW ehren und diese in ihrer Arbeit stärken.

Weitere Informationen zum Ehrenamtspreis finden Sie hier.

Nein zur Bezahlkarte: Ratsbeschlüsse aus nordrhein-westfälischen Kommunen

In dieser regelmäßig aktualisierten Übersicht dokumentiert der Flüchtlingsrat NRW, welche Kommunen sich bisher gegen die Einführung einer Bezahlkarte für Schutzsuchende entschieden haben.

Die Übersicht finden Sie hier.

Keine Propaganda auf Kosten von Flüchtlingen! Argumentationshilfen gegen Vorurteile

Der Flüchtlingsrat NRW e.V. stellt einen Flyer sowie eine ausführliche Argumentationshilfe zur Entkräftung von Vorurteilen (Stand: November 2023) bereit.

Den Flyer und die Argumentationshilfe finden Sie hier.

Broschüre zum Engagement für Flüchtlinge in Landesunterkünften

Der Flüchtlingsrat NRW hat die Broschüre „Ehrenamtlich engagiert – für Schutzsuchende in und um Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW“ aktualisiert (Stand Dezember 2021).

Die Broschüre können Sie hier herunterladen.

Kooperations- und Fördermöglichkeiten für flüchtlingspolitische Veranstaltungen und Projekte

Broschüre des FR NRW, Stand November 2023, zu verschiedenen Institutionen, die fortlaufend für eine finanzielle Unterstützung von Projekten und Veranstaltungen zu flüchtlingspolitischen Themen angefragt werden können.

Mehr dazu

Forum Landesunterbringung

Neues Webforum "Flüchtlinge in Landesaufnahmeeinrichtungen in NRW (WFL.NRW)" jetzt online!
Das Webforum möchte einen Einblick in die Situation von Flüchtlingen in Landesaufnahmeeinrichtungen ermöglichen.

Das Webforum finden Sie hier.

 

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