| weitere vulnerable Gruppen Eine neue Form des Menschenhandels auf den Fluchtrouten
Der Menschenhandel erhält zunehmend Aufmerksamkeit in politischen und wissenschaftlichen Debatten - besonders im Hinblick darauf, dass die Zahl der Migranten und Migrantinnen, die aus ihren Heimatländern fliehen und dabei Regionen passieren müssen, deren Sicherheitslage ebenfalls prekär ist, und dort auf ihrem Fluchtweg erneut Opfer in verschiedener Hinsicht werden. So hat sich eine neue Form des Menschenhandels entwickelt, bei der systematische Folter und Gewalt als Mittel zur Erpressung von Lösegeld genutzt werden.
Bei dieser neuen Form des Menschenhandels spielt die transnationale Vernetzung von Migranten und Migrantinnen eine gewichtige Rolle. Bekannt wurde sie erstmals im Sinai im Jahr 2009 als Migranten und Migrantinnen verschleppt und in sogenannten Foltercamps festgehalten wurden. Anschließend erfolgten erzwungene Anrufe der Gefolterten aus den Foltercamps an die Angehörigen, um von ihnen Lösegeld einzufordern. Der Menschenhandel bekam dadurch einen neuen primären Zweck: die Profitgewinnung durch Lösegeld. "Dazu wurden transnationale Netzwerke von MigrantInnen genutzt, die häufig über Verbindungen zu Familien- und Diasporakontakten in zahlreichen Ländern verfügen, um Geldtransfers aus aller Welt zu mobilisieren", so berichtet das Netzwerk Flüchtlingsforschung.
Der Menschenhandel allgemein ist zunächst kein neues Phänomen, doch wurden bislang Migranten und Migrantinnen in der Regel aus Gründen der Zwangsprostitution, des Organhandels oder der Zwangsarbeit verschleppt. Nun lassen sich in immer mehr Ländern Fälle vermerken, in denen das Phänomens des Menschenhandels zur Lösegelderpressung durch Anwendung von Foltern auftritt, so zum Beispiel in Jemen, Lybien und im Sudan. Die Ausbeutung durch Lösegelderpressung fehlt zur Zeit noch in der internationalen Menschenhandelsdefinition des Palermo-Protokolls, die vor der Etablierung des Phänomens verabschiedet wurde. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Menschenhandel in politischen Diskursen und der breiten Öffentlichkeit als Form des illegalen Schmuggels oder der Schleusung von Geflüchteten angesehen wird, was aber nicht der Definition der UN entspricht. Denn Menschenhandel bezeichnet "die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbung oder Aufnahme von Personen" gegen ihren Willen.
Aufgrund der neuen Form des Menschenhandels sollte die internationale Menschenhandelsdefinition des UN-Protokolls erweitert bzw. erneuert werden, damit Lösungen für dieses akute Problem entwickelt werden können, aber auch, um spezielle Unterstützungsmöglichkeiten für Überlebende dieser speziellen Form des Menschenhandels garantieren zu können.
"Zuletzt ist es wichtig, die Überlebenden von Folter und Menschenhandel, die als Flüchtlinge nach Europa oder auch in andere Regionen kommen, zu unterstützen und sie durch die Bereitstellung spezieller medizinischer und psychosozialer Angebote vor Re-Traumatisierung zu schützen. Denn die Opfer von Gewalttaten auf dem Sinai und anderen Routen sind ihr Leben lang durch die Folgen geprägt", so das Netzwerk Flüchtlingsforschung.
Um mehr Informationen zu den Hintergründen und der Entwicklung dieser neuen Form des Menschenhandels zu erhalten oder um den ganzen Artikel des Netzwerkes der Flüchtlingsforschung lesen zu können, bitte hier klicken.