| Aktuell, Mitwirkungspflichten Hinweise zur Passbeschaffung für afghanische Staatsangehörige
Hinweise der Diakonie Deutschland zu den "Musterschreiben Passpflicht Afghanistan" (Oktober 2021):
''Liebe Kolleg*innen,
es ist derzeit für afghanische Staatsangehörige, die sich in Deutschland befinden, nicht möglich, Reisepässe oder eine Tazkira zu beschaffen. Bisher ist die Webseite www.botschaft-afghanistan.de inaktiv. Auch wenn die Auslandsvertretungen dem Vernehmen nach ansprechbar für konsularische Dienste sind, können Anträge auf Neuausstellung eines Passes sowie auf Ausstellung einer Tazkira nicht entgegengenommen werden.
Damit sind von Betroffenen gesetzlich verlangte Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten, insbesondere zur Passbeschaffung, unmöglich. Dies hat bedeutende rechtliche Auswirkungen auf die von afghanischen Staatsangehörigen in bestimmten Konstellationen von Behörden verlangte „Klärung ihrer Identität“ bzw. Erfüllung der Passpflicht.
Um die Beratungsarbeit in diesen Fällen zu erleichtern, stellt die Diakonie folgende Musterschreiben zur Verfügung. Sie betreffen verschiedene Konstellationen und müssen für den Einzelfall, für den sie genutzt werden, individuell angepasst werden.
Insbesondere in den Fällen der Erteilung einer Duldung mit dem Eintrag „für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b Abs. 1 AufenthG (sog. Duldung light) sollte die Streichung des Zusatzes beantragt werden. Diese Nebenbestimmung ist schon deswegen zu streichen und eine Duldung nach § 60a AufenthG ohne diesen Zusatz zu erteilen, weil derzeit keine Abschiebungen nach Afghanistan erfolgen und daher eine Mitwirkungspflichtverletzung nicht allein kausal dafür ausschlaggebend ist, dass eine Abschiebung nicht stattfinden kann.
Ebenfalls unmöglich ist die Erlangung von Dokumenten oder Pässen zur Beantragung oder Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen (allg. Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). Das Musterschreiben kann verwendet werden von Personen, deren Identität nicht in Frage steht oder anderweitig, z.B. durch abgelaufene Dokumente oder andere Nachweise, geklärt ist.
Wer eine Aufenthaltserlaubnis/eine Niederlassungserlaubnis/ eine EU-Daueraufenthaltserlaubnis erhalten hat, sollte aufgrund dieser Umstände einen Reiseausweis für Ausländer beantragen. Auch hier gilt, dass die Identität aus den vorgenannten Gründen nicht infrage steht.
Ebenso ist denkbar, dass Behörden Leistungskürzungen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG verhängen, die jedoch aufgrund der aktuellen Umstände gegenüber afghanischen Staatsangehörigen rechtswidrig wären.
- Übertragung auf andere Konstellationen:
Die Passpflicht spielt ebenfalls eine Rolle im Rahmen einer Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung nach §§ 60c und d AufenthG, sowie bei einem Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2. Hier kann die Begründung zur Nicht-Erfüllbarkeit der Passpflicht übertragen und der Konstellation im Einzelfall entsprechend angepasst werden.
Die Anträge und Rechtsbehelfe werden von den betroffenen Personen im eigenen Namen gestellt. Die Musterschreiben können aber selbstverständlich keine qualifizierte Beratung ersetzen und sie sollten erst nach einer sorgfältigen Prüfung der Umstände des Einzelfalls durch erfahrene Berater*innen verwendet werden. Im Zweifel sollte eine juristisch qualifizierte Person nach § 6 Abs.2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zu Rate gezogen werden.
Die Schreiben wurden verfasst von Rechtsanwältin Oda Jentsch (Berlin) als Mitglied der Rechtsberaterkonferenz und wurden von erfahrenen Kolleg*innen geprüft. Wir danken der Verfasserin und den beteiligten Kolleg*innen für ihre Mitwirkung.
Berlin, Oktober 2021''